BGH zu EncroChat: Völlig die Realitäten dieses Falles verkannt!

BGH zu EncroChat: Völlig die Realitäten dieses Falles verkannt! Sich hier auf die gegenseitige Anerkennung zu berufen, ist verfehlt, denn es gibt nichts „anzuerkennen“, weil man sich auf eine „Black Box“ beruft. Damit wird digitaler Massenüberwachung Tür und Tor geöffnet!

Der BGH hat sich in der Tat nun auch materiellrechtlich mit dem Thema EncroChat befasst und sich deutlich gegen ein Beweisverwertungsverbot ausgesprochen. Das war meiner Meinung nach aber absehbar, nachdem sich ein anderer Senat des BGH zwar nicht inhaltlich mit der Sache befasst hatte, im Ergebnis aber Anfang März zum selben Ergebnis kam. Der BGH verkennt jedoch völlig die Realitäten dieses Falles, wenn er sich auf den Grundsatz der „gegenseitigen Anerkennung“ beruft, wovor ich in der Vergangenheit bereits gewarnt hatte. Wir messen hier ein Handeln ausländischer Behörden nicht an unseren eigenen Maßstäben, und dementsprechend auch nicht an der Frage, ob die deutschen Behörden ähnliche Ermittlungen im konkreten Fall hätten anstellen dürfen. Das wäre nämlich nicht der Fall gewesen. Weder ist klar, welche Behörde die Daten erhoben hat, noch gibt es eine eindeutige Rechtsgrundlage. Sich hier auf die gegenseitige Anerkennung zu berufen, ist verfehlt, denn für die deutschen Behörden und Gerichte gibt es nichts „anzuerkennen“, weil man sich auf eine „Black Box“ beruft. Und dann zu sagen, dass die Rechtmäßigkeit dadurch nicht in Frage gestellt würde, dass man sich auf französischer Seite auf Geheimhaltung beruft, ist so, als würde ich dem Staat eine Blanko-Ermächtigungsgrundlage zur digitalen Massenüberwachung geben. Natürlich ist diese juristische Argumentation des BGH äußerst bequem, weil sie genau das wiedergibt, auf das sich die Gerichte auch zuvor schon gestützt haben. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen, weil noch Verfahren vor dem EGMR und dem BVerfG anhängig sind. Und man muss natürlich auch die gewaltige politische Dimension dieses Themas sehen, wenn sich herausstellen würde, dass in Tausenden von Verfahren die Daten nicht verwertet werden können. Das würde der „Law and Order“-Mentalität zuwiderlaufen. Ich persönlich sehe hier auch die Bundespolitik gefordert, in der Strafprozessordnung neue und verfassungskonforme Rahmenbedingungen zum Umgang mit digitalen Beweismitteln zu verankern. Nur das schafft nachhaltig Rechtssicherheit und ist ein drängendes Problem. Eine Aufgabe, die sich mit Blick auf die Digitalisierung der Justiz sogar aus dem Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ergibt.

Link zum vollständigen Artikel (hinter Paywall): https://www.weser-kurier.de/bremen/encrochat-dateien-als-beweismittel-in-bremer-strafverfahren-zulaessig-doc7kbepl86t6a1d692olo8

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