Verfassungsrechtliche Anforderungen an den Einsatz von vollzugspolizeilichen Body-Cams

Der folgende Beitrag entspricht der Stellungnahme des Autors zur öffentlichen Anhörung im Innenausschuss des Hessischen Landtags am 10. September 2015 zum Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Melderechts, des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und des Hessischen Glücksspielgesetzes vom 19. Mai 2015, Drs. 19/1979. Die Ausführungen konzentrieren sich dabei auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung an den Einsatz der polizeilichen Body-Cams/Körperkameras anlegt.


I. Vorbemerkung

Der Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Melderechts, des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und des Hessischen Glücksspielgesetzes vom 19. Mai 2015 (Drs. 19/1979) sieht unter anderem vor, eine Novellierung des § 14 Abs. 6 S. 1 HSOG durchzuführen, um für den Einsatz der sogenannten „Body-Cams“, die seit Mai 2013 in Hessen pilotiert werden, eine geeignete Ermächtigungsgrundlage zu schaffen. Damit nimmt das Land Hessen neben Hamburg, das im Januar 2015 ebenfalls eine gesetzliche Grundlage speziell für den Body-Cam-Einsatz geschaffen hat, eine Vorreiterrolle in der Nutzungskonzeptionierung dieses neuen Ermittlungsinstruments ein. Da weitere Länder ebenso den Body-Cam-Einsatz planen (beispielsweise Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland), kann das hessische Gesetzgebungsverfahren in diesem Bereich eine Impuls- und Vorbildfunktion für die Schaffung eigenständiger Ermächtigungsgrundlagen in den Polizeigesetzen der Länder einnehmen. Ganz im Sinne des Grundsatzes von „Privacy by Design“ kann eine von Anfang an normenklare und hinreichend bestimmte gesetzliche Regelung ebenso grundlegende technische Anforderungen festlegen, die für weitere Videoüberwachungsmaßnahmen in Zukunft einen Ausgangspunkt bilden können. Deshalb sollte die geplante Änderung des HSOG von vornherein dafür Sorge tragen, dass der Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung – sowie bei Tonaufzeichnungen ebenso in das Recht am gesprochenen Wort – den verfassungsrechtlichen Maßstäben genügt, welche an die Rechtfertigung anzulegen sind.

II. Grundsätzliches zu § 14 Abs. 6 HSOG und dessen systematischer Einordnung

Die Ermächtigungsgrundlage des § 14 Abs. 6 HSOG stellt in ihrer bisherigen Fassung eine klassische Befugnisnorm zur videogestützten Überwachung von Personen dar, die vom Polizeivollzugsdienst im Rahmen einer Anhalte- und Kontrollsituation im öffentlichen Verkehrsraum angetroffen werden und die vornehmlich der Eigensicherung der Beamten dient. Vergleichbare Regelungen finden sich beispielsweise in § 29 Abs. 5 BremPolG oder in § 8 Abs. 5 PolDVG HH (Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei Hamburg). Da die Bildaufzeichnung von Personen schon seit Langem ein typisches Mittel zur Beweissicherung im Falle von Straftaten darstellt, ist es konsequent, die Ermächtigungsgrundlage zum Einsatz von Body-Cams unter die Regelung des § 14 Abs. 6 HSOG zu fassen. Die zurzeit geltende Fassung der Vorschrift gestattet es den Polizeibehörden, an öffentlich zugänglichen Orten eine Person, deren Identität festgestellt werden soll, mittels Bildübertragung offen zu beobachten und eine Aufzeichnung des Bildmaterials anzufertigen, wenn dies nach den Umständen zum Schutz von Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist (S. 1). Ergänzende Regelungen zur Videobeobachtung werden in den Sätzen 2 und 3 getroffen: Falls während der Überwachungsmaßnahme auch personenbezogene Daten Dritter erhoben werden, so ist dies nur dann zulässig, soweit die Videobeobachtung des ursprünglich Betroffenen ansonsten nicht durchgeführt werden könnte. Daneben besteht eine Löschungsverpflichtung, falls die gewonnenen Daten zu Zwecken der Eigensicherung der Polizeivollzugsbeamten oder der Strafverfolgung nicht mehr erforderlich sind.

Die Gesetzesnovelle, welche das HSOG im Rahmen der Drs. 19/1979 betrifft, befasst sich ausschließlich, soweit es um den Body-Cam-Einsatz geht, mit der Änderung von § 14 Abs. 6 S. 1 HSOG. Hier wird der Einsatzbereich der Vorschrift in nicht unerheblichem Maße erweitert, indem die bisherige Vorgabe, dass die Bildübertragung nur im Rahmen einer Identitätsfeststellung möglich ist, eine Streichung erfährt. Alleiniger Anlass für die Verwendung der Body-Cams ist mithin der Schutz von Polizeivollzugsbeamten oder Dritten in unterschiedlichen Qualifikationslagen. § 14 Abs. 6 S. 1 HSOG-E ermöglicht hierdurch die allgemeine Nutzung der Schulterkameras losgelöst vom ursprünglichen Einsatzziel.

III. Stellungnahme zu Einzelaspekten der Neuregelung des Body-Cam-Einsatzes

Im Folgenden wird zu relevanten Einzelfragen der Gesetzesnovelle Stellung genommen, wobei der Schwerpunkt der Betrachtung auf den damit verbundenen verfassungs- und datenschutzrechtlichen Problemen liegt. Ergänzend werden mögliche Lösungsansätze zur Herstellung der Rechtskonformität vorgestellt.

1. Zur Erweiterung des Einsatzzwecks und zur „Pre-Recording“-Funktion

§ 14 Abs. 6 S. 1 HSOG-E erweitert die Einsatzmöglichkeiten der Body-Cam in ihrem Anwendungsbereich, indem die Einschaltung der Kamera nicht mehr an die Durchführung einer Identitätsfeststellung geknüpft ist. Die Ausweitung des Einsatzzwecks auf sämtliches polizeiliche Handeln scheint dabei grundsätzlich sinnvoll, da der Vollzugspolizei hierdurch ermöglicht wird, die Body-Cam auch in solchen Situationen zu nutzen, die bereits eskaliert sind. Zudem beschränken sich potenzielle Gefahrensituationen im Polizeivollzugsdienst nicht ausschließlich auf Identitätsfeststellungen. Rechtlich zweifelsfrei muss jedoch geklärt sein, dass die Erweiterung des Einsatzzwecks nicht zu einem übermäßigen Kameraeinsatz im Sinne eines Dauerbetriebs führt. Um das weggefallene tatbestandseinengende Kriterium des Bezugs zu einer polizeilichen Kontrollsituation auszugleichen, sieht der Gesetzentwurf daher vor, dass die technische Erfassung und Beobachtung von Personen stets nur dann möglich ist, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass die Nutzung der Body-Cam zum Schutz von Polizeivollzugsbeamten oder Dritten erforderlich ist. Insbesondere das Kriterium des Vorliegens „tatsächlicher Anhaltspunkte“ ist zwingend notwendig, um die Verfassungskonformität der Maßnahme bejahen zu können. Dementsprechend ist es als Ausgleich für den Wegfall der Kontrollgebundenheit im Einsatz eng auszulegen. Ein im Sachbereich noch weiter ausgedehnter Gebrauch der Body-Cam ließe bereits Zweifel an der Erforderlichkeit der Maßnahme aufkommen, da der Schutz von Polizeivollzugsbeamten und Dritten in diesem Falle schon durch polizeipsychologische Maßnahmen zu erreichen wäre, die sich in jedem Falle als weniger grundrechtsintensiv darstellten.

Damit die Body-Cam aktiviert werden kann, muss ihr Einsatz „zum Schutz von Polizeivollzugsbeamten oder Dritten erforderlich sein“. Da es sich hier ebenso schon wie für das Vorliegen „tatsächlicher Anhaltspunkte“ um ein tatbestandseinengendes Kriterium handelt, um einer übermäßigen Weite der Ermächtigungsgrundlage entgegenzuwirken, ist das genaue Begriffsverständnis zu bestimmen. Als Auslegungshilfe kann dabei insbesondere das im zweiten Halbsatz von § 14 Abs. 6 S. 1 HSOG-E genannte Merkmal des Schutzes von Polizeivollzugsbeamten oder Dritten „gegen eine Gefahr für Leib oder Leben“ dienen, da anhand dessen zwischen den Handlungsoptionen der kurzfristigen technischen Erfassung/offenen Beobachtung und der Aufzeichnung abgegrenzt werden kann. Bei näherer Betrachtung dürfte die Begrifflichkeit „Gefahr für Leib oder Leben“ vorrangig Körperverletzungshandlungen umfassen, die gegebenenfalls mit Tötungsvorsatz gegen die genannten Personengruppen geführt werden. Dieses Schutzziel vor tätlichen Auseinandersetzungen ergibt sich auch aus der Entwurfsbegründung (S. 30). Fraglich ist nunmehr, welche Fälle der ersten Alternative des „einfachen“ Schutzes von Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gem. § 14 Abs. 6 S. 1 1. Hs. HSOG-E unterfallen, wenn es um das grundsätzliche Einschalten der Body-Cam ohne die Aktivierung des Aufzeichnungsmodus (technische Erfassung/offene Beobachtung) geht. Besonders zahlreiche Situationen scheinen hier nicht denkbar, es drängt sich vielmehr vor allem der Schutz vor Beleidigungen und verbalen Provokationen auf, wie auch aus der Entwurfsbegründung hervorgeht. Ein Schutzzweck, welcher das Aktivieren der Körperkamera von einer derart niedrigen Handlungsschwelle des Betroffenen abhängig macht, kann im Ergebnis eine potenzielle Dauerüberwachung zur Folge haben, indem in jedweder örtlich angespannten Situation zur Aufrechterhaltung der Sozialadäquanz zunächst die Kamera eingeschaltet wird, ohne jedoch eine tatsächliche Aufzeichnung stattfinden zu lassen. Das zuvor bestimmte einengende Kriterium der „tatsächlichen Anhaltspunkte“ wird auf diese Weise wieder relativiert, indem ihr Anknüpfungspunkt derart weit gefasst ist, dass die Body-Cam in einer Vielzahl von Situationen theoretisch in Betrieb genommen werden könnte. Zumal dürfte angesichts der geplanten gesetzlichen Ausgestaltung des Pre-Recordings seitens der Vollzugspolizei ohnehin das Bewusstsein bestehen, dass mit dem Einschalten noch keine Aufzeichnung verbunden ist, was zu einer extensiven Kameranutzung ebenso beiträgt. Sinnvoll wäre es deshalb, zumindest im Rahmen der Entwurfsbegründung diesen einfachen Schutzzweck weiter zu konkretisieren, damit deutliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, wann der Einsatz der Body-Cam tatsächlich erfolgen darf.

Eine grenzenlose Vorfeldüberwachung zum Schutze jedweder Interessen von Polizeivollzugsbeamten oder Dritten ist jedenfalls rechtlich unzulässig, da auch schon die kurzfristige technische Erfassung und offene Beobachtung mittels der Body-Cam einen Eingriff in die informationellen Grundrechte darstellt. Ausgehend von der Entwurfsbegründung ist die Pre-Recording-Funktion der Kamera technisch in der Weise aufgebaut, dass bereits bei den Alternativen der kurzfristigen technischen Erfassung sowie der offenen Beobachtung eine Aufzeichnung und damit eine Speicherung stattfindet, wenngleich der RAM-Speicher deutlich kleiner ist als der Haupt- und Endspeicher des Geräts. Diese kurzfristige Aufzeichnung genügt jedoch bereits den Anforderungen eines Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, des Rechts am eigenen Bild sowie des Rechts am gesprochenen Wort, da sich hierdurch das behördliche Informationsinteresse schon so weit verdichtet hat, dass eine Gefährdung für die Persönlichkeit des Betroffenen besteht.[1] Die Einsatzform der Body-Cam ist damit in ihrer rechtlichen Würdigung grundsätzlich auch nicht ohne Weiteres auf die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur automatisierten Auswertung von Kfz-Kennzeichen übertragbar: Im letzteren Fall verneint das BVerfG einen Grundrechtseingriff, wenn der Zugriff auf die Daten vollständig auf den maschinell begrenzten Bereich des Auswertungsverfahrens beschränkt ist und ein unverzüglicher[2], ungezielter Datenabgleich[3] vollständig automatisiert erfolgt und im Falle eines Nichttreffers anonym, spurenlos und ohne weiteres Erkenntnisinteresse für die Ermittlungsbehörden bleibt[4].

Im Ergebnis entfällt ein Grundrechtseingriff somit nur dann, soweit sich die zu überprüfenden Datenbestände unmittelbar nach ihrer computerisierten Erfassung als Nichttreffer herausstellen und sofort spurenlos und ohne die Möglichkeit zur Herstellung eines Personenbezuges ausgesondert werden.[5] Der Body-Cam-Einsatz hingegen ist rechtlich zur Gänze anders gelagert: Die im Rahmen des Pre-Recording erfolgende Aufzeichnung stellt bereits eine Speicherung dar, die von ihrer Dauer über den Zeitraum eines maschinellen Datenabgleichs hinausgeht. Die Auswertung der Daten erfolgt hier zudem nicht computergesteuert, sondern durch einen Polizeibeamten, welcher die Situation analysiert und über die endgültige Datenspeicherung entscheidet. Der Personenbezug dürfte ebenso im Regelfall schon feststehen, wenn das Pre-Recording verwendet wird. Das behördliche Erkenntnisinteresse hat sich folglich bereits hinreichend verdichtet und die vorhandenen Informationen reichen als Ermittlungsgrundlage aus[6].

Die in der Entwurfsbegründung geäußerte Auffassung, dass durch die Verwendung des Pre-Recording die „gerechtfertigten Eingriffe“ in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung reduziert werden können, entspricht somit nicht den rechtlichen Tatsachen. Vielmehr bietet die Möglichkeit zur technischen Ausweitung der Videoaufzeichnung, verbunden mit einer infolge fehlender Schutzzweckkonkretisierung in ihrem Anwendungsbereich deutlich ausgeweiteten Ermächtigungsgrundlage, die Möglichkeit zu einem Dauereingriff, der keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung genießt, weil im Rahmen der Interessenabwägung gerade nicht deutlich wird, welches die den informationellen Grundrechten entgegenstehenden geschützten Positionen sind. Die an die derzeit anvisierte Ermächtigungsgrundlage geknüpfte Nutzung der Pre-Recording-Funktion ist rechtlich somit höchst bedenklich. Zu beachten ist in jedem Falle auch, dass die zurzeit vorgesehene Novellierung des Kameraeinsatzes es gesetzlich nicht ermöglicht, die Video- und Tondaten zu Beweiszwecken in einem Strafverfahren gegen den Betroffenen zu nutzen, wenn es ausschließlich um die Verfolgung von Beleidigungsdelikten geht und keine weitergehende Eskalation mit einer Gefährdungslage für Leib oder Leben stattgefunden hat. Die Kameraaufzeichnung ist für einen solchen Fall rechtswidrig.

2. Zur Erweiterung der Einsatzmodalitäten und zum verfassungsrechtlichen Bedürfnis für flankierende Verfahrensregelungen

Die Einsatzmodalitäten der Body-Cam sollen künftig nicht nur die Durchführung einer Bildübertragung, sondern ebenso eines Tonmittschnitts umfassen. Begründet wird diese technische Erweiterung damit, dass tätlichen Auseinandersetzungen, welche in die Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit eingreifen können, regelmäßig verbale Angriffe vorausgehen. Die Möglichkeit der Tonaufzeichnung soll in diesem Zusammenhang deeskalierend wirken, indem die Hemmschwelle für Beleidigungen gegenüber Polizeibeamten heraufgesetzt wird. Gleichzeitig sollen sogenannte Solidarisierungseffekte von unbeteiligten Dritten vermieden werden, die als Ergebnis eines gruppendynamischen Prozesses spontan Partei für die durch den Kameraeinsatz Betroffenen ergreifen könnten.

Grundsätzlich ist hinsichtlich der Einführung einer Tonaufzeichnung festzustellen, dass deren positive Wirkung in statistischer Hinsicht bisher unbelegt ist. Zwar konnte im Rahmen der hessischen Polizeistatistik für das Pilotprojekt festgestellt werden, dass sich die Anzahl der Übergriffe auf Polizeivollzugsbeamten um 37,5 Prozent reduzierte[7], allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass hier keine Tonaufzeichnung stattfand. Die Geeignetheit von Tonaufnahmen spielte für den polizeilich festgestellten Abschreckungseffekt bisher mithin keine Rolle. Selbst wenn im Rahmen von Pilotprojekten parallele Tonaufnahmen stattfinden sollten, so wird es praktisch schwierig sein, den psychologischen Einfluss der Videoaufzeichnung von der Tonaufzeichnung exakt zu trennen. Gleichwohl sich bereits in der Begehungsphase befindliche Gewalttaten allein durch Bildaufzeichnungen belegen lassen, so dürfte es für den anvisierten Abschreckungseffekt aber nicht völlig unerheblich sein, dass auch eine Tonaufzeichnung stattfindet, soweit der Betroffene hiervon Kenntnis hat. Darüber hinaus muss aber auch berücksichtigt werden, dass Beleidigungen regelmäßig auch aus einer Situation spontaner Erregung heraus geäußert werden und den getätigten Aussagen gerade in einer Situation der verbalen Konfrontation wohl nur in den seltensten Fällen eine wohlüberlegte Interessenabwägung vorausgehen dürfte. Die Abschreckungswirkung der Tonaufnahme als Beitrag zur Deeskalation bzw. Prävention dürfte daher wohl insgesamt nur marginal ins Gewicht fallen.

Sinnvoll hingegen ist die Tonaufnahme zur Dokumentation zu Beweiszwecken – was theoretisch nicht nur zugunsten des Selbstschutzes des Vollzugspolizisten oder des Schutzes Dritter geschehen kann, sondern auch zugunsten des durch die Aufnahme Betroffenen, wenn es um den späteren gerichtlichen Nachweis eines möglicherweise rechtswidrigen Verhaltens der Polizei geht. Wie in der Entwurfsbegründung ausgeführt, ermöglicht die Kombination von Bild- und Tonaufzeichnung gerade eine gesamtheitliche Situationsdokumentierung, die zu einem späteren Zeitpunkt die Wahrheitsfindung signifikant erleichtern kann.

Zu einer Verbesserung der Akzeptanz der Body-Cam seitens der Aufgenommenen dürfte die Dokumentation mit Ton hingegen nicht beitragen, zumal hinreichend bekannt ist, dass der Zweck des Körperkameraeinsatzes in Deutschland gerade nicht den Schutz des durch die Aufnahme Betroffenen vor beispielsweise rechtswidrigem polizeilichen Handeln bezweckt. Zwar kann es durchaus von Vorteil sein, dass durch die laufende Dokumentation mit Ton auch die mündlich erteilten polizeilichen Anweisungen und die Androhung von Zwangsmitteln durch Polizeivollzugsbeamte festgehalten werden. Diese Vorteile sind jedoch ausgehend vom Gesetzeszweck ausschließlich einseitiger Natur, indem sie die verbesserte Wahrnehmung vollzugspolizeilicher Aufgaben erreichen wollen. Eine tatsächliche Akzeptanzsteigerung des Body-Cam-Einsatzes, welche über eine bloße Duldung hinausgeht, könnte allein durch die Möglichkeit für den Betroffenen geschaffen werden, auf die aufgenommenen Ressourcen ebenso umstandslos zugreifen zu können wie die Polizeibehörden, falls konkrete rechtliche Gründe dies erfordern sollten. Hierzu sieht das HSOG in seinem derzeitigen Entwurf noch keine expliziten Regelungen vor. Gesetzlich werden dem Betroffenen einer jeden polizeilichen Datenverarbeitung zwar durch die Landespolizeigesetze sowie durch die allgemeinen Landesdatenschutzgesetze die klassischen Rechte wie Berichtigung, Sperrung und Löschung eingeräumt. Daneben sind ebenso Auskunftsansprüche vorgesehen (siehe für das Land Hessen beispielsweise die §§ 27, 29 HSOG). Diese bereits bestehenden gesetzlichen Vorschriften sind jedoch zu allgemein gefasst, um den spezifischen grundrechtlichen Gefahren des Body-Cam-Einsatzes gerecht zu werden. So regelt beispielsweise der § 14 Abs. 6 HSOG als Ermächtigungsgrundlage des Kameraeinsatzes zwar, unter welchen Umständen eine Videoaufzeichnung stattfinden darf, jedoch bis auf die Löschungsverpflichtung in S. 3 nicht, wie im Anschluss konkret mit den erhobenen Daten umzugehen ist. Die hinreichend umfassende gesetzliche Ausschreibung von Betroffenenrechten ist jedoch für die Transparenz eines staatlichen Eingriffshandelns von erheblicher Bedeutung und damit entscheidende Voraussetzung, wenn es um die Angemessenheit des Body-Cam-Einsatzes geht, die wiederum ein entscheidendes Merkmal der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung darstellt.

In der bisherigen rechtspolitischen Diskussion um die Schaffung neuer Ermächtigungsgrundlagen für die Schulterkameras wurden verfahrensrechtliche Aspekte hingegen kaum oder in nur unzureichendem Maße berücksichtigt. Dies kann sicher auch damit begründet werden, dass der Zweck dieser neuen Ermittlungsmaßnahme eben nicht im Schutz des durch die Aufzeichnung Betroffenen, sondern des Polizisten oder Dritter liegt. Damit stellt sich denknotwendigerweise die Frage, ob eine derart einseitige Schutzzweckzuweisung im Ergebnis nicht ernsthafte Zweifel an der Verfassungskonformität der Body-Cam aufkommen lässt. Hier sollte in Zukunft darüber nachgedacht werden, die Zielsetzung des Kameraeinsatzes zu erweitern, um eine leichtere verfassungsrechtliche Rechtfertigung zu ermöglichen. Korrespondierend führt die Festschreibung verschiedener flankierender verfahrensrechtlicher Regelungen dazu, die Akzeptanz der Einsatzform „Body-Cam“ in einem tatsächlichen Sinne zu verbessern, indem sich Bürger und Staat zumindest auf einer Ebene der informationellen Gleichordnung gegenübertreten, anstelle den Dialog zwischen Sicherheitsbehörden und Betroffenen durch ein zunehmend technokratisch geprägtes Subordinationsverhältnis zu verdrängen.

Nicht zuletzt ist dies auch deshalb bedeutsam, weil der Betroffene durch die Kameraüberwachung neben den informationellen Grundrechten ebenso in seiner Allgemeinen Handlungsfreiheit tangiert ist: Allein schon die potenzielle Möglichkeit einer Videoaufzeichnung führt dazu, dass der Aufgenommene in seinem Verhalten wie auch in seinen Äußerungen beschränkt ist – und dies nicht nur im Sinne von gegenüber Polizeibeamten geäußerten Beleidigungen, sondern auch im Falle von kooperativen Verhaltensweisen. Angedacht werden sollte deshalb begleitend zum Body-Cam-Einsatz insbesondere die Einrichtung einer unabhängigen Treuhandstelle als zentralem Anlaufpunkt zur Geltendmachung der Betroffenenrechte auf Berichtigung, Löschung und Sperrung und von Auskunftsansprüchen sowie zur Verwaltung des aufgenommenen Datenmaterials. Dieser Treuhandstelle fällt als selbstständigem Verwaltungsorgan ebenso die Aufgabe zu, durch verbindliche technische und organisatorische Maßnahmen die Vertraulichkeit, Integrität, Verfügbarkeit, Authentizität und Revisionsfähigkeit der gespeicherten personenbezogenen Daten zu gewährleisten.[8]

3. Zum dreistufigen Einsatzverfahren

Laut Entwurfsbegründung zur Änderung des § 14 Abs. 6 S. 1 HSOG soll ein besonderer Vorteil der Novellierung in der Einrichtung eines dreistufigen Einsatzverfahrens zu sehen sein, welches in die Stufen „kurzfristige technische Erfassung“, „offene Beobachtung“ sowie „Aufzeichnung“ untergliedert ist, wobei sich die an den Einsatz der Body-Cam zu stellenden Anforderungen mit jeder Stufe erhöhen sollen. Nicht zuletzt soll durch dieses dreistufige Verfahren eine gesetzliche Möglichkeit zur Nutzung der Pre-Recording-Funktion geschaffen werden. Anzunehmen ist mithin, dass mit der Erhöhung der Anforderungen auch mit jeder Stufe eine Erhöhung der Eingriffsintensität einhergeht.

Dennoch sind sowohl der Aspekt des dreistufigen Einsatzverfahrens wie auch die schrittweise Erhöhung der Eingriffsanforderungen für die unterschiedlichen Einsatzmodalitäten im Gesetzentwurf unklar. Zunächst ergibt sich weder aus dem Gesetzestext noch aus dessen Begründung, welche Einsatzmodalität jeweils unter eine der drei vorgeschlagenen Verfahrensstufen fallen soll. So ist nicht definiert, worin der konkrete Unterschied zwischen einer „kurzfristigen technischen Erfassung“ und einer „offenen Beobachtung“ liegt, wenn es nur um das Einschalten der Body-Cam und damit um die Aktivierung der Pre-Recording-Funktion geht. Eine Differenzierung in technischer Hinsicht wäre höchstens zwischen dem Einschalten der Kamera ohne jegliche Form der Aufzeichnung, Einschalten der Kamera mit Pre-Recording sowie Einschalten der Kamera mit dauerhafter Aufzeichnung denkbar, jedoch ergeben sich aus dem Gesetzestext hierauf ebenfalls keinerlei Hinweise. Selbst wenn man einen Unterschied zwischen der Modalität der kurzfristigen technischen Erfassung und der offenen Beobachtung in der Länge des Aufnahmezeitraums sähe (sodass bei der kurzfristigen technischen Erfassung die Kamera nur für einige Sekunden mit Pre-Recording eingeschaltet wird, während die offene Beobachtung die Durchführung des Pre-Recording für einen mehrminütigen Zeitraum umfasst), so liegt bereits in beiden Fällen unzweifelhaft ein Grundrechtseingriff vor, der dementsprechend rechtfertigungsbedürftig ist. Durch die Differenzierung zwischen drei möglichen Optionen des Kameraeinsatzes ändert sich in der Sache somit nichts.

Ebenso ist ausgehend vom derzeitigen Gesetzentwurf nicht erkennbar, ob und wie sich gemäß der Entwurfsbegründung die für den Grundrechtseingriff notwendigen Rechtfertigungsvoraussetzungen je nach individueller Einsatzstufe erhöhen sollen. Explizit benannt nach Tatbestandsanforderungen werden vielmehr nur zwei Differenzierungsaspekte: Der Body-Cam-Einsatz in der Form der kurzfristigen technischen Erfassung sowie der offenen Beobachtung für diejenigen Fälle, in denen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dies zum Schutz von Polizeivollzugsbeamten oder Dritten erforderlich ist sowie der Body-Cam-Einsatz in der Form der dauerhaften Aufzeichnung, wenn dies nach den Umständen zum Schutz von Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

Nicht zuletzt stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob der anvisierte gestufte Tatbestand, wie er zurzeit vorgesehen ist, wirklich Sinn macht. Da schon mit der Aktivierung der Pre-Recording-Funktion ein Grundrechtseingriff stattfindet und nicht deutlich wird, worin in der Ermächtigungsgrundlage die Differenzierung zwischen dem einfachen und dem qualifizierten Schutzzweck besteht, sollte vielmehr eine tatbestandlich klare, einheitliche und hinreichend begrenzende Ermächtigungsgrundlage generell für die Nutzung der Schulterkamera im Polizeieinsatz geschaffen werden. Insbesondere hierdurch kann dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot von grundrechtsverkürzenden Eingriffsvorschriften Rechnung getragen werden, dessen Einhaltung zwingend notwendig ist, will das zukünftige Gesetz den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen.

4. Zu den Transparenzanforderungen im Einsatz

Ein weiteres rechtliches Problem, das mit dem zurzeit vorgesehenen gestuften Verfahren im Zusammenhang steht, sind die unzureichenden Transparenzanforderungen im Einsatz. Das datenschutzrechtliche Transparenzgebot, welches aus dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen einer jeden Datenverarbeitung folgt, setzt Kenntnis über die stattfindenden Datenverarbeitungsvorgänge und die hierzu eingesetzten technischen Mittel voraus.[9] Nur hierdurch ist es erst möglich, das individuelle Recht auf informationelle Selbstbestimmung wahrzunehmen, denn nur wenn ein Betroffener weiß, welche personenbezogenen Daten von wem und auf welche Weise verarbeitet werden, kann er sich der ihm qua Gesetz eingeräumten Rechte effektiv bedienen. Gegebenenfalls kooperiert er in einer bestimmten Situation mit den Polizeivollzugsbeamten gar nur im Vertrauen darauf, dass er im Nachhinein mithilfe der Aufzeichnung die Rechtswidrigkeit einer Eingriffsmaßnahme nachweisen kann. In der Praxis stellt sich für das gestufte Body-Cam-Einsatzverfahren die Frage, ob eine Transparenz im vorgenannten Sinne gegeben ist.

Der Gesetzentwurf in seiner derzeitigen Fassung erlaubt eine Auslegung, die es ermöglicht, das Pre-Recording zu theoretisch unbestimmten Schutzzwecken zu aktivieren, soweit hierfür nur tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Eine dauerhafte Aufzeichnung darf jedoch erst stattfinden, sobald eine Gefahr für Leib oder Leben von Polizisten oder Dritten besteht, vor der es zu schützen gilt. Daraus folgt, dass sämtliche Aufnahmen, bei denen die Situation nicht derart eskaliert und die im Sinne einer optimalen Zweckerreichung einen Großteil der Einsatzszenarien ausmachen sollten, von der Body-Cam nicht endgültig aufgezeichnet werden dürfen. Einfache Beleidigungen beispielsweise, die ausgehend von den geplanten gesetzgeberischen Vorgaben theoretisch ein Einschalten des Geräts gestatten, dürfen somit ausgehend vom Gesetzentwurf nicht dauerhaft mittels der Body-Cam dokumentiert werden. Da das Transparenzgebot die Verpflichtung umfasst, als Betroffener darüber informiert zu sein, dass und auf welche Weise eine Videoaufzeichnung stattfindet, würde das Einsatzziel der Deeskalation durch Videoaufnahme ad absurdum geführt, da eine bloß verbale Auseinandersetzung gerade nicht zur dauerhaften Aufzeichnung berechtigt und dies dann auch entsprechend kenntlich gemacht werden müsste.

Fraglich ist deshalb, wie der Betroffene in der Praxis über den Body-Cam-Einsatz informiert werden soll: Wenn durch die Vollzugspolizei eine Mitteilung dergestalt erfolgt, dass zurzeit zwar das Pre-Recording eingeschaltet ist, aber automatisch eine Löschung des Datenmaterials stattfindet, soweit nicht das Risiko von Gewalttaten besteht, dürfte die Kamera kaum noch über eine messbare Abschreckungswirkung verfügen. Wenn hingegen durch den kameraführenden Beamten bewusst der unwahre Eindruck erweckt wird, dass eine dauerhafte Aufzeichnung erfolgt und dies tatsächlich nicht der Fall und rechtlich auch nicht möglich ist, so liegt ein Verstoß gegen das datenschutzrechtliche Transparenzgebot vor, denn unverzichtbare Voraussetzung der rechtmäßigen Verwendung von Body-Cams ist die deutliche Erkennbarkeit der Aufzeichnung. Der Gesetzentwurf stellt den kameraführenden Beamten folglich vor ein praktisches Dilemma. Zu empfehlen ist hier, zur Gänze auf das Pre-Recording zu verzichten und anstelle dessen nur eine dauerhafte Speicherung der Videoaufnahmen zu ermöglichen, dafür aber die tatbestandlichen Voraussetzungen hinreichend eng zu fassen.

Soweit es den Einsatz der Body-Cam betrifft, folgt aus dem Transparenzgebot nicht nur, dass dem Betroffenen nicht suggeriert werden darf, einer dauerhaften Videoaufzeichnung zu unterliegen, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall ist. Ferner müssen ganz praktische Erkennungsmöglichkeiten vorgesehen werden, damit jedermann feststellen kann, dass eine aktive Videoaufzeichnung stattfindet. Hierzu sind entsprechende organisatorische Vorkehrungen zu treffen, so muss dem Einschalten der Kamera ein deutlicher verbaler Hinweis seitens der Vollzugspolizei vorausgehen. Die kameraführenden Polizisten sind wie in der Pilotierungsphase auch mit Warnwesten auszustatten, das Gerät selbst muss eine hinreichend auffällige Aufnahmeleuchte besitzen, die auch noch aus mittlerer Entfernung erkennbar ist. Dies ist insbesondere deshalb notwendig, weil durch die Aufnahme unbeteiligte Dritte im Hintergrund mit erfasst werden können, die so die Möglichkeit erhalten, sich der polizeilichen Datenerfassung berechtigterweise zu entziehen. Hierzu bedarf es aber präziser und speziell auf die Body-Cam zugeschnittener Vorgaben, die sich zurzeit noch nicht finden. Speziell für die Pre-Recording-Funktion stellte sich hier wieder das Problem, wann die Aufnahmeleuchte aktiviert werden soll, um der angestrebten Deeskalationswirkung noch Genüge zu tun und gleichzeitig hinreichende Transparenz in der Datenerhebung für den Betroffenen zu wahren. Sobald der Aufnahmevorgang abgeschlossen ist, sollte dem Betroffenen im Nachgang ermöglicht werden, die ihm zur Verwirklichung seiner informationellen Selbstbestimmung gesetzlich zustehenden Rechte geltend zu machen. Dazu kann ihm von Seiten der Vollzugspolizei eine Kontaktkarte ausgehändigt werden, auf der Hinweise zur datenspeichernden Stelle und zum weiteren Verfahren zu finden sind.[10]

5. Zur Anlassbezogenheit und zum visuellen Aufnahmefeld

Die derzeitige Entwurfsfassung des Gesetzes sowie bestehende Rechtsvorschriften sehen weder nennenswerte verfahrensrechtliche Regelungen für den Einsatz der Body-Cams noch für die spätere Datenauswertung vor. Besonders im Hinblick auf die Verarbeitung der Videodaten sollten jedoch datensicherheitsrechtliche und organisatorische Vorkehrungen getroffen werden, um die Nutzbarkeit der Daten als Beweismittel zu unterstützen und den datenschutzrechtlichen Betroffenenrechten besser zu ihrer Geltung zu verhelfen. Speziell in der Einsatzphase der Body-Cam müssen darüber hinaus die strikte Anlassbezogenheit des Kameraeinsatzes sowie die Sicherstellung der angestrebten Beweisfunktion durch eine ganzheitliche Aufzeichnung gewährleistet werden.

Bei der Anlassbezogenheit handelt es sich um eine spezielle Ausprägung des Gebots der Datensparsamkeit. Insbesondere beim Einsatz mobiler Videoüberwachungssysteme muss den hieraus folgenden Anforderungen in besonderem Maße Rechnung getragen werden, da die Kameras nicht lediglich nur die Personen erfassen, mit denen die Polizeibeamten direkt in Kontakt treten, sondern ebenso auch unbeteiligte Dritte aufnehmen können, die zufällig den Kameraausschnitt im Hintergrund betreten. In diesem Zusammenhang ist die Regelung in § 14 Abs. 6 S. 2 HSOG zu beachten, wo für die Betroffenheit Dritter die „Unerlässlichkeit“ der Maßnahmendurchführung vorausgesetzt wird. Unter anderem aus diesem Grunde wäre auch die Daueraufnahme des gesamten Streifenganges rechtlich unzulässig. Wie jedoch bereits festgestellt wurde, genügt der derzeitige Entwurf des § 14 Abs. 6 S. 1 HSOG nicht den Vorgaben, die an einen hinreichend begrenzten Einsatzzweck zu stellen sind, indem die niedrige Eingriffsschwelle des „einfachen“ Schutzes von Polizeivollzugsbeamten oder Dritten trotz des einschränkenden Kriteriums des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte eine im Ergebnis anlasslose Videoüberwachung ermöglicht. Insoweit ist diese Form der gesetzlichen Ausgestaltung auch nicht mit dem Gebot der Datensparsamkeit vereinbar.

Ziel des Gesetzentwurfs ist ebenso, eine möglichst ganzheitliche Dokumentation des Einsatzgeschehens zu erreichen. Hierzu soll die Pre-Recording-Funktion eingeführt werden, ferner wird die Bild- um eine Tonaufzeichnung ergänzt. Entscheidend für die Beweisfunktion der Body-Cam dürfte jedoch vor allem der Umfang des Aufnahmeblickwinkels der Kamera sein, wozu im Gesetzentwurf keine näheren Angaben getroffen werden. Ob eine entsprechende Konkretisierung dieser Eigenschaft in gesetzlicher Form praktikabel ist oder aber vielmehr nach untergesetzlichen Vorschriften zu erfolgen hat, kann dahinstehen, denn in jedem Falle werden unter diesem Gesichtspunkt keine weiteren Angaben getroffen. Die Body-Cam wird ihre unter anderem auch angestrebte Beweisfunktion jedoch nur dann in vollem Umfang erfüllen können, soweit sie nicht lediglich den der Polizei gegenüberstehenden Bürger, sondern auch das visuelle Verhalten der anderen Beamten mit aufzeichnet, sodass der kameraführende Polizist im Regelfall nicht selbst der Hauptakteur sein sollte. Ansonsten besteht die Gefahr, dass durch das eingeschränkte Aufnahmefeld wesentliche Handlungen der Polizeibediensteten nicht dokumentiert werden, welche die Reaktion des Gefilmten möglicherweise in einem anderen Licht erscheinen lassen.

6. Zur Datenauswertung und zu den Löschfristen

Für die Verarbeitung der aufgezeichneten Videodaten ist es nicht allein ausreichend, beispielsweise durch eine unabhängige Treuhandstelle die Sicherstellung von Betroffenenrechten und Datensicherheitsanforderungen zu gewährleisten. Unabhängig davon müssen weitere verfahrensrechtliche Vorgaben speziell für den Auswertungsvorgang festgeschrieben werden, welche noch nicht in die Entwurfsfassung aufgenommen sind.

Zuvorderst gilt es, den datenschutzrechtlichen Zweckbindungsgrundsatz zu beachten, der festschreibt, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten nur dann zulässig ist, als sie zu dem Zweck erfolgt, welcher durch die positivrechtlich fixierte Ermächtigungsnorm abgedeckt wird[11] (siehe für öffentlich-rechtliche Stellen nur die allgemeine Festschreibung in § 14 Abs. 1 S. 1 BDSG, entsprechend für das Land Hessen in § 13 HDSG). Sinnvoll ist es, im Rahmen der Neufassung des § 14 Abs. 6 S. 1 HSOG zur Hervorhebung zumindest eine entsprechende Verweisungsvorschrift auf die bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Zweckbindung zu integrieren. Deutlich werden muss auch für die Auswertungsphase, dass die Datenerhebung in der Form der dauerhaften Aufzeichnung nur zum Schutz der Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erfolgen kann und der Auswertungszweck dementsprechend hieran anknüpfen sollte.

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wie der bestehende § 14 Abs. 6 S. 3 HSOG zu verstehen ist, welcher festlegt, dass die durch den Body-Cam-Einsatz erhobenen Daten nur für Zwecke der Eigensicherung (1. Alt.) oder der Strafverfolgung (2. Alt.) genutzt werden dürfen. Zumindest die Phase der Eigensicherung dürfte ausgehend vom Gesetzeswortlaut schon mit dem Ende einer Eskalation vor Ort zeitlich abgeschlossen sein. Daraus folgt, dass eine entsprechende Löschungsverpflichtung der Daten, soweit lediglich Fälle der Anscheinsgefahr vorliegen, unverzüglich nach Beendigung des Ereignisses oder allerspätestens nach Schichtende[12] besteht und die weitere Speicherung der Daten trotz zunächst dauerhafter technischer Aufzeichnung nur dann erfolgen darf, wenn gemäß der zweiten Alternative die Verfolgung einer Straftat im Raum steht. Ob es in der Einsatzphase befindlichen Vollzugspolizisten allerdings zuzumuten ist, eine vollständige Subsumtion des Geschehens unter strafrechtliche Vorschriften zu tätigen, dürfte zweifelhaft sein. In Bezug auf die geltende Löschungsverpflichtung schwierig zu handhaben sind folglich Situationen, in denen die vorangehende Gefahrenlage kein eindeutiges, auf der Hand liegendes Ergebnis einer Strafbarkeit des durch die Aufzeichnung Betroffenen ergibt. Diese Art von Situationen dürfte neben den eindeutigen Fällen einer nachgewiesenen Strafbarkeit den häufigsten Bezugspunkt zur Entscheidung über eine weitere Verwertung der Body-Cam-Aufzeichnungen ausmachen, denn wenn bereits keine Umstände auf eine Gefahr für Leib oder Leben von Polizeivollzugsbeamten oder Dritten hindeuten, ist schon die dauerhafte Aufzeichnung rechtlich nicht möglich. Denkbar ist es daher, im Rahmen der Gesetzesnovelle die Löschungsmodalität zu Zwecken der Eigensicherung entfallen zu lassen. § 8 Abs. 5 S. 3 in Verbindung mit Abs. 4 S. 4 PolDVG HH stellt in diesem Zusammenhang ebenfalls allein auf die Zwecke der Strafverfolgung ab, wobei hier ebenfalls dem Zweckbindungsgrundsatz gemäß konkretisiert werden könnte, ob die Aufnahmen ausschließlich als Beweismittel zur Untersuchung einer möglichen Strafbarkeit gegen Leib oder Leben herangezogen werden können.

Die durch den Entfall der ersten Löschungsmodalität von Zwecken der Eigensicherung für einige Fälle entstehende längere Speicherdauer von Daten kann dadurch relativiert werden, indem gesetzlich eine konkrete Löschfrist grundsätzlich für alle Body-Cam-Aufzeichnungen bestimmt wird. Eine solche Regelung wird ebenso bereits durch § 8 Abs. 5 S. 3 in Verbindung mit Abs. 4 S. 4 PolDVG HH getroffen. Hier ist normiert, dass soweit die Aufzeichnungen nicht für die Zwecke der Strafverfolgung benötigt werden, spätestens nach vier Tagen zu löschen sind. Eine solche Frist scheint nicht nur aus Gründen der Rechtsklarheit und der Erfüllung der Zweckbindung im Hinblick auf das Videomaterial sinnvoll, sondern auch, um einen ausreichenden Zeitraum für dessen rechtliche Würdigung zu ermöglichen, ohne dass der Betroffene hierdurch übermäßig in seinen Rechten beschnitten würde. In jedem Falle muss gesetzlich deutlich sein, dass die Body-Cam-Aufnahmen unabhängig von ihrer Zwecksetzung nicht unbegrenzt lange „auf Vorrat“ archiviert werden können, bis zu einem noch unbestimmten Zeitpunkt letztlich über ihre Verwertung entschieden wird.

7. Zum Schutz der Berufsgeheimnisträger

Die Neufassung im HSOG zum Einsatz der Body-Cams enthält ferner keine Regelung zum Schutz von Berufsgeheimnisträgern gem. § 53 Abs. 1 StPO. Eine solche ist jedoch erforderlich, weil der räumliche Umfang des Body-Cam-Einsatzes tatbestandsmäßig alle öffentlich zugänglichen Orte umfasst. Weder in der Entwurfsbegründung noch im Gesetz selbst findet sich eine – an sich wünschenswerte – Legaldefinition des Begriffs eines „öffentlich zugänglichen Ortes“. Zur Auslegung des § 14 Abs. 6 S. 1 HSOG-E kann jedoch auf die Vorschrift des § 38 Abs. 7 HSOG zurückgegriffen werden, wo der Begriff ebenfalls verwendet wird. Im Sinne eines systematisch einheitlichen Verständnisses des HSOG ist davon auszugehen, dass die hier zur Verfügung stehende Konkretisierung des Begriffs ebenso auf die Einsatzgrundlage der Body-Cam übertragen werden kann. Der öffentlich zugängliche Raum umfasst gem. § 38 Abs. 7 HSOG auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume, sodass es durchaus möglich ist, Body-Cam-Aufzeichnungen in Räumlichkeiten durchzuführen, die der Tätigkeit von Berufsgeheimnisträgern dienen. Zum Schutz des hier gegebenen besonderen Vertrauensverhältnisses sieht beispielsweise die Ermächtigungsgrundlage für den Body-Cam-Einsatz in Hamburg, § 8 Abs. 5 S. 2 PolDVG HH vor, dass Videoaufzeichnungen in denjenigen Bereichen unzulässig sind, innerhalb derer Berufsgeheimnisträger gem. § 53 Abs. 1 StPO ihre Tätigkeiten ausüben. Eine entsprechende Vorschrift sollte aus den zuvor getätigten rechtlichen Erwägungen heraus auch für die hessische Gesetzesnovelle übernommen werden.

IV. Zusammenfassung und Ausblick

Der Gesetzentwurf zur Änderung des HSOG weist im Hinblick auf die Novellierung des § 14 Abs. 6 S. 1 HSOG zahlreiche und erhebliche rechtliche Mängel auf, die es vor der flächendeckenden Einführung der Body-Cam als einer polizeilichen Standardmaßnahme zu beheben gilt. Insbesondere die Pre-Recording-Funktion mit ihrer „dreistufigen“ Einsatzweise führt zu schwerwiegenden rechtlichen wie praktischen Problemen und hat – entgegen den Ausführungen in der Entwurfsbegründung – keine Reduzierung der Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zur Folge, sondern führt im Gegenteil zu einer größeren Unbestimmtheit und zu einem Transparenzverlust im Einsatz. Daneben fehlen dem Gesetzentwurf hinreichende verfahrensrechtliche Konkretisierungen: So wird zum Beispiel nicht deutlich, wie mit den erhobenen personenbezogenen Daten im Anschluss an die dauerhafte Aufzeichnung verfahren wird, wie Betroffene die ihnen ohnehin schon zustehenden gesetzlichen Rechte geltend machen können, wann die Daten endgültig zu löschen sind und wie für den Bereich der Berufsgeheimnisträger zu verfahren ist, um besondere Vertrauensverhältnisse hinreichend effektiv zu schützen.

Eine weitaus grundsätzlichere Frage stellt sich für die flächendeckende Einführung der Body-Cam im Hinblick auf den mit ihr verfolgten Schutzzweck, der, wie aus dem Gesetzentwurf deutlich wird, derzeit im Wesentlichen den Schutz von Polizeivollzugsbeamten umfasst. Hierfür besteht fußend auf den bestehenden Statistiken wohl auch ein Bedürfnis. Dennoch ist unklar, warum der Schutzzweck nicht eine inhaltliche Ausdehnung dahingehend erfahren kann, dass auch der Bürger nicht nur als Dritter, sondern ebenso als Betroffener von der Dokumentation eines Polizeieinsatzes durch neue technische Verfahren profitieren kann. In den Vereinigten Staaten werden die Schulterkameras explizit und primär zu Schutzzwecken des durch die Aufnahme Betroffenen eingesetzt. Eine solche Zweckerweiterung ist auch nicht mit dem gegenüber dem Polizeivollzugsdienst verfolgten Schutzziel unvereinbar, da die entstandenen Aufnahmen der Polizei als Beweismaterial nach wie vor – aber eben nicht nur dieser – zugute kommen können. Es ist jedoch schwer nachvollziehbar, warum die rechtspolitische Debatte um die Body-Cams in Deutschland von Beginn an nur unter der primären Zwecksetzung des Schutzes der Vollzugspolizei geführt wurde und der ebenso berechtigte Schutz des Bürgers vor möglichen rechtswidrigen polizeilichen Eingriffen nahezu vollständig außer Acht gelassen wird, wo sich ein solcher Schutzzweck doch gedanklich aufdrängt und sich auch verhältnismäßig leicht implementieren ließe. Auf diese einseitig geführte Diskussion wird es letztlich auch zurückzuführen sein, dass innerhalb der gesetzgeberischen Bestrebungen die Betroffenenrechte eine leider nur unzureichende Berücksichtigung finden. Das hin und wieder vertretene Gegenargument, dass die Nutzung der Body-Cam als eine Form der polizeilichen Videoüberwachung und Einsatzdokumentation doch nicht anders sei als die klassische Videoaufzeichnung im Rahmen öffentlicher Versammlungen und Aufzüge, vermag hingegen nicht zu überzeugen, ist doch die Aufnahmesituation bei der Schulterkamera durch das höchst individualisierte Verhältnis zwischen Polizeivollzugsbeamten und Betroffenen gekennzeichnet, die sich – vielleicht sogar innerhalb geschlossener Räume – im Dialog gegenüberstehen. Ferner kann es zum Body-Cam-Einsatz infolge der technischen wie rechtlichen Ausgestaltung nahezu jederzeit und überall kommen, während die klassische Form polizeilicher Videoüberwachung im Regelfall auf ausgewählte Orte begrenzt ist, sodass sich Betroffene hierauf deutlich besser einstellen und im Zweifelsfall entziehen können.

Nicht zuletzt gilt es vor dem Hintergrund des flächendeckenden Body-Cam-Einsatzes zu bedenken, dass die sicherheitspolitische Tendenz zu einer immer weitergehenden Überwachung des Bürgers auch dazu führen kann, dass das gegenseitige Vertrauen zwischen Behörden und Bürgern als einer Grundvoraussetzung zur erfolgreichen Kooperation und somit auch zur zivilen Mitwirkung an Sicherheitsmaßnahmen in Mitleidenschaft gezogen wird. Es steht zu befürchten, dass die Body-Cam bei den allermeisten Betroffenen als Instrument einer technischen Drohkulisse verstanden wird, welche das subordinationsrechtliche Verhältnis zwischen Staat und Bürger noch stärker betont. Trotz der zahllosen Verheißungen moderner Ermittlungsinstrumente sollte somit jeder Neueinführung einer technischen Überwachungsmaßnahme ein ausführlicher rechtspolitischer Dialog vorausgehen und es sollten, soweit die Entscheidung zur Schaffung einer neuen Maßnahme gefallen ist, die Rechte derjenigen, die durch sie unmittelbar betroffen sind, nicht außer Acht gelassen werden.

 

Bremen, den 27. August 2015

 

(Dr. Dennis-Kenji Kipker)


[1] Vgl. BVerfGE 115, 320, 343.

[2] BVerfG MMR 2008, 308, 309.

[3] BVerfGE 100, 313, 366.

[4] BVerfG NJW 2003, 1787, 1793.

[5] BVerfGE 107, 299, 328; 115, 320, 343; BVerfG MMR 2008, 308, 309. So auch BayVGH DuD 2013, 465, 466.

[6] Vgl. BVerfGE 115, 320, 343.

[7] Siehe Pressemitteilung des hessischen Innenministeriums vom 01.10.2014, https://innen.hessen.de/presse/pressemitteilung/body-cams-werden-ab-kommendem-jahr-ganz-hessen-eingesetzt-0, Stand: 27.08.2015.

[8] Siehe zu diesem Konzept ausführlich schon Kipker/Gärtner, NJW 2015, 296, 299.

[9] Siehe beispielsweise Simitis, NJW 1984, 398, 400: „Die informationelle Selbstbestimmung versperrt den Rückzug in die Generalklauseln. So plausibel, ja notwendig eine Einschränkung der Selbstbestimmung deshalb auch erscheinen mag, verfassungskonform wird sie erst auf der Grundlage einer die Transparenz des Verarbeitungsprozesses garantierenden bereichsspezifischen Regelung.“

[10] Siehe hierzu schon Kipker/Gärtner, NJW 2015, 296, 300.

[11] Helfrich, in: Hoeren/Sieber/Holznagel (Hrsg.), HB Multimedia-Recht, Teil 16.1, Rn. 78.

[12] Vgl. die Entwurfsbegründung zur Einführung des § 14 Abs. 6 S. 3 HSOG, siehe LT-Drs. 16/2352, S. 16.


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2 Comments

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  1. Schon interessant, wie unterschiedlich die Zielrichtungen der Bodycams in den USA und hier sind. Auch wenn wir in Deutschland Gott sei Dank noch nicht so weit sind, dass es zu Zwischenfällen wie in Ferguson usw kommt, ist es doch schon etwas naiv, davon auszugehen, dass die Polizei immer und allerorten nur durch und durch rechtmäßig handelt. Bleibt zu hoffen, dass die Rechte der Bürger bei diesen Aufnahmen doch noch mehr Berücksichtigung finden.

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