Stellungnahme zur Anhörung des Ausschusses für Justiz, Verfassung und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung des Landtags des Saarlandes am 30. August 2019 zum Entwurf eines Gesetzes zum Erlass des Saarländischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes, zur Änderung des Saarländischen Strafvollzugsgesetzes, zur Änderung des Saarländischen Jugendstrafvollzugsgesetzes, zur Änderung des Saarländischen Untersuchungshaftvollzugsgesetzes, zur Änderung des Gesetzes zur ambulanten Resozialisierung und Opferhilfe und zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof (Drucksache 16/820)
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I. Allgemeines und Systematik
Die vorliegende Stellungnahme befasst sich inhaltlich mit den allgemeinen datenschutzrechtlichen Neuerungen, die sich durch den Erlass des Saarländischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes ergeben und in erster Linie der Umsetzung der JI-Richtlinie 2016/680 vom 27. April 2016 dienen, die in ihrem Anwendungsbereich auch den Straf-, Jugendstraf-, Untersuchungshaftvollzug, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und den Jugendarrest zum Gegenstand hat. Für diese Spezialbereiche schafft die JI-Richtlinie einen datenschutzrechtlichen Gleichlauf zur EU Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO), sodass sich der vorliegende Gesetzentwurf an den wesentlichen Grundprinzipien des neuen EU-Datenschutzrechts zu messen hat. Der Entwurf zum Saarländischen Justizvollzugsdatenschutzgesetz untergliedert sich in 64 Paragraphen in insgesamt zehn Abschnitten. Im Vergleich zu den in diesem Zusammenhang getroffenen Regelungen anderer Länder stellt sich der saarländische Entwurf als äußerst ausführlich dar. Was einerseits im Sinne der Rechtsklarheit und auch des datenschutzrechtlichen Transparenzgebots zu begrüßen ist, hat andererseits aber auch zur Folge, dass sich bestimmte Regelungen in Details verlieren oder aber auch Regelungen getroffen werden, die entbehrlich scheinen (dazu noch im Folgenden). Insgesamt ist darauf hinzuweisen, dass sowohl Entwurf wie auch Entwurfsbegründung in formaler Hinsicht noch verschiedene Mängel aufweisen, die einer gründlichen Durchsicht und Korrektur unterzogen werden sollten. Systematisch ist außerdem zu hinterfragen, weshalb die Betroffenenrechte erst zum Ende in den Abschnitten 8 und 9 aufgeführt werden. Vorzuschlagen wäre vielmehr, diese bereits zwischen Abschnitt 5 und Abschnitt 6 zu verorten, und unter Umständen in einem einzelnen Abschnitt zusammenzufassen, da es sich letztlich auch bei der Löschung, Einschränkung der Verarbeitung und der Berichtigung um „Rechte der betroffenen Personen“ handelt.
II. Zu den Regelungen im Einzelnen
1. § 3 Abs. 3
Art. 7 Abs. 1 der JI-Richtlinie schreibt vor, dass eine Unterscheidungsmöglichkeit zwischen unterschiedlichen Arten personenbezogener Daten vorzusehen ist, so müssen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass bei personenbezogenen Daten so weit wie möglich zwischen faktenbasierten Daten und Daten zu unterscheiden ist, die lediglich auf einer persönlichen Einschätzung beruhen. § 3 Abs. 3 greift diese Vorgabe inhaltlich auf, es fehlt jedoch ein Hinweis auf eine ausdrückliche Kenntlichmachung dieser Tatsachen. Abs. 3 sollte daher am Ende um einen weiteren Satz ergänzt werden: „Dies ist entsprechend kenntlich zu machen.“ Bisher wird ausschließlich in der Entwurfsbegründung auf die Kenntlichmachung verwiesen.
2. § 4 Abs. 7 und 8
In § 4 des Entwurfs wird die Einwilligung der betroffenen Person als zentrales Legitimationsinstrument einer Datenverarbeitung thematisiert. Abs. 7 und Abs. 8 treffen Regelungen zum Umgang mit der Einwilligung bei besonders schutzwürdigen Personen, so bei beschränkt geschäftsfähigen Gefangenen (Abs. 7) und bei Gefangenen, die nicht die für eine Entscheidung notwendige Einsichtsfähigkeit besitzen (Abs. 8). Insbesondere für minderjährige Gefangene müssen die Regelungsvorschläge zu Abs. 7 und Abs. 8 im Zusammenhang gelesen werden. Soweit Gefangene nicht die für eine Entscheidung notwendige Einsichtsfähigkeit besitzen und zusätzlich vollzugliche Zwecke nicht gefährdet werden, stehen die gesetzlichen Rechte ihren Vertreterinnen und Vertretern zu. Unklar ist, weshalb es hier zusätzlich der Einschränkung „Nichtgefährdung vollzuglicher Zwecke“ bedarf, zumal in der Entwurfsbegründung lediglich generisch auf einen „Schutz vor Missbrauch“ verwiesen wird, ohne hier weitere inhaltliche Ausführungen zu treffen. Die Einschränkung sollte deshalb – gerade auch gemessen an der hohen Bedeutung der Schutzwürdigkeit dieser Personenkreise – entfallen, soweit kein sachlicher Grund genannt werden kann, der die Einschränkung zu rechtfertigen vermag.
3. § 6 Abs. 1
Der Regelungsvorschlag in § 6 soll die grundlegende Regelung für die Zulässigkeit der Erhebung personenbezogener Daten durch die Justizvollzugsbehörden enthalten. Bestimmt wird, dass die Datenerhebung nur zulässig ist, soweit dies zu vollzuglichen Zwecken erforderlich ist. Das Europarecht, aber auch die vergleichbaren Bestimmungen anderer Länder, gehen an dieser Stelle weiter. Zur Wahrung der Konformität mit der JI-Richtlinie sollte die Formulierung deshalb wie folgt geändert werden: „Die Justizvollzugsbehörden dürfen personenbezogene Daten bei Erforderlichkeit zu vollzuglichen Zwecken nur verarbeiten, wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder zwingend voraussetzt.“
4. § 7 Abs. 1
§ 7 regelt den allgemeinen Grundsatz, dass personenbezogene Daten grds. bei den betroffenen Personen und mit deren Kenntnis und deren Mitwirkung zu erheben sind. Hierbei handelt es sich um eine Ausprägung des datenschutzrechtlichen Transparenzgrundsatzes, auch wird hierdurch in besonderer Weise betont, dass die betroffene Person im Sinne der informationellen Selbstbestimmung nicht „Objekt“, sondern stets selbstbestimmtes Subjekt einer jedweden (staatlichen) Datenverarbeitung ist. Diese Regelung sollte insbesondere um einen Vorschlag zur Subsidiarität der Datenerhebung bei nicht-öffentlichen Stellen ergänzt werden, da hiermit höhere datenschutzrechtliche Risiken verbunden sein können: „Bei nicht-öffentlichen Stellen oder Personen sollen personenbezogene Daten nur erhoben werden, wenn die Erhebung bei der betroffenen Person oder bei öffentlichen Stellen fehlgeschlagen ist, wenn ersichtlich ist, dass nur die nicht-öffentliche Stelle oder Person über die Daten verfügt, oder wenn eine andere Form der Erhebung zu einer Gefährdung des Erhebungszwecks führen würde.“
5. § 10 Abs. 1
§ 10 regelt die Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten von den Justizvollzugsbehörden, dabei gilt der schon aus dem allgemeinen Datenschutzrecht bekannte Zweckbindungsgrundsatz. Grds. dürfen die personenbezogenen Daten deshalb nur für die Zwecke verarbeitet werden, zu denen sie erhoben wurden. § 10 Abs. 1 des Entwurfs bestimmt darüber hinaus, dass eine Datenverarbeitung zu „anderen vollzuglichen Zwecken“ zulässig ist, soweit dies „erforderlich und verhältnismäßig“ ist. Diese weit gefasste Formulierung geht über das noch rechtlich Zulässige hinaus. So ist nicht nur unklar, was unter „anderen vollzuglichen Zwecken“ zu verstehen sein soll, auch die Kriterien Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit vermögen sich anhand der weit gefassten Zweckbestimmung nicht weiter zu konkretisieren. Hierdurch ergibt sich für den Einzelfall ein äußerst weit gefasster Erlaubnistatbestand. Art 4. Abs. 2 der JI-Richtlinie macht die Datenverarbeitung durch den Verantwortlichen zu anderen Zwecken als für die Datenerhebung davon abhängig, dass der Verantwortliche nach Unionsrecht oder mitgliedstaatlichem Recht dazu befugt ist und kumulativ eine Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit nach Unionsrecht oder dem mitgliedstaatlichen Recht besteht.
6. § 10
Ergänzend sollte für § 10 des Entwurfs zur Sicherstellung einer gleichbleibend hohen Datenqualität folgender klarstellender Absatz 7 aufgenommen werden: „Die Justizvollzugsbehörden prüfen vor jeder Verarbeitung personenbezogener Daten deren Richtigkeit, Vollständigkeit, Zuverlässigkeit und Aktualität.“
7. § 12 Abs. 1
§ 12 der Entwurfsfassung regelt unter anderem die Übermittlung von personenbezogenen Daten an öffentliche und nicht-öffentliche Stellen. Auch hier gilt wie schon für § 10 Abs. 1 des Entwurfs, dass die Klausel zur Zweckänderung in S. 2 zu weit gefasst ist. Eine entsprechende Konkretisierung und Anpassung sollte deshalb vorgenommen werden.
8. § 12 Abs. 6
Die Vorschrift regelt die Übermittlung von zulässig erhobenen besonderen Kategorien personenbezogener Daten an öffentliche und an nicht-öffentliche Stellen. Wie zuvor angemerkt, sollte die Datenübermittlung an nicht-öffentliche Stellen infolge der damit verbundenen höheren Risiken stets einen Ausnahmefall darstellen. Unter diese Prämisse ist auch § 12 Abs. 6 Nr. 2 zu weit gefasst, wenn hier beispielsweise unter lit. d) auf die Abwehr „erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder sonst unmittelbar drohender Gefahren für die öffentliche Sicherheit“ verwiesen wird. Ein solch weit gefasster, allgemeiner Erlaubnistatbestand ermöglicht eine Datenübermittlung an nicht-öffentliche Stellen zu nahezu jedweden Zwecken.
9. § 12
Zur Klarstellung sollte § 12 um folgenden Abs. 9 ergänzt werden: „Personenbezogene Daten, die an nicht-öffentliche Stellen übermittelt werden sollen, sind vor der Übermittlung zu anonymisieren oder zu pseudonymisieren, soweit nicht der Personenbezug für die Erfüllung des Übermittlungszweckes erforderlich ist.“ Hierdurch wird dem Grundsatz der Datensparsamkeit Rechnung getragen.
10. § 13
Aus der Entwurfsbegründung ergibt sich, dass es sich bei dem Regelungsvorschlag im Wesentlichen um einen „programmatischen Auftrag“ zur Überprüfung Gefangener und anstaltsfremder Personen handelt. Warum ein solcher an dieser Stelle explizit in das Gesetz aufgenommen werden sollte, erschließt sich nicht wirklich, auch nicht aus der Begründung. Inhaltlich verweist Abs. 1 lediglich auf die § 14 und § 15, die die eigentlichen inhaltlichen Regelungen treffen. Abs. 2 enthält nur eine Definition über „sicherheitsrelevante Erkenntnisse“ – diese könnte man, soweit sie in späteren Vorschriften Verwendung finden soll, auch in den Begriffsbestimmungen zu Beginn des Gesetzes in § 2 aufführen.
Bremen, den 26. August 2019
(Dr. Dennis-Kenji Kipker)