Neues in Sachen Vorratsdatenspeicherung: Das jüngste Urteil des EuGH vom 21.12.2016

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 21. Dezember 2016 in den Rechtssachen C-203/15 und C-698/15 eine uneingeschränkte Vorratsdatenspeicherung ohne feste Grenzen für unzulässig erklärt. Diese stelle einen zu großen Eingriff in die Grundrechte dar. Eine Speicherung von Seiten elektronischer Kommunikationsdienste zum Zweck der Vorbeugung schwerer Straftaten solle jedoch erlaubt sein, wenn sie „hinsichtlich der Kategorien der zu speichernden Daten, der erfassten elektronischen Kommunikationsmittel, der betroffenen Personen und der vorgesehenen Dauer der Vorratsspeicherung auf das absolut Notwendige beschränkt ist” (Rn. 108). Nationale zuständige Behörden dürften ebenfalls auf diese Daten zugreifen, allerdings nur, wenn für die Zugriffe konkret festgelegte Voraussetzungen vorliegen, zu welchen vor allem eine Datenspeicherung auf dem Unionsgebiet und die Schaltung einer unabhängigen Kontrollinstanz gehöre.

Ausgangspunkt sind die im Vorabentscheidungsverfahren miteinander verbundenen Rechtssachen C-203/15 und C-698/15

Hintergrund für die Entscheidung sind zwei Rechtsstreitigkeiten, welche vorliegend im Vorabentscheidungsverfahren verbunden worden sind. In der Rechtssache C-203/15 klagt die Tele2 Sverige AB gegen Post- ochtelestyrelsen, eine schwedische Überwachungsbehörde für Post und Telekommunikation, gegen eine gegen diese erlassene Anordnung, Standorte und Verkehrsdaten von registrierten Nutzern und ihren Teilnehmern auf Vorrat zu speichern. Durch das Digital Rights Urteil vom 8. April 2014 (EU:C:2014:238) und der damit verkündeten Ungültigkeit der Richtlinie 2006/24/EG sei die Tele2 Sverige AB ihrer Ansicht nach jedoch nicht mehr zu einer Speicherung von Daten auf Vorrat verpflichtet. In der Rechtssache C-698/15 dagegen klagen Watson, Brice und Lewis gegen den Secretary of State of the Home Department auf Überprüfung der Section 1 des DRIPA (Data Retention and Investigatory Powers Act 2014) auf seine Rechtmäßigkeit, da diese die Regelung mit Art. 7 und 8 GRC und mit Art. 8 EMRK für unvereinbar halten.

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Europäische Vorratsdatenspeicherung – quo vadis?

Das jüngste Urteil des EuGH hat wieder einmal vor Augen geführt, dass es gerade in den heutigen Zeiten wichtiger denn je ist, die informationellen Bürgerrechte zu schützen. Jeder neue terroristische Anschlag und die damit verbundenen rechtspolitischen Debatten zeigen, wie schnell das Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit aus dem Gleichgewicht zu geraten droht. Der EuGH hat mit seiner Entscheidung verdeutlicht, dass alle Mitgliedstaaten dazu verpflichtet sind, die in der Europäischen Grundrechtecharta niedergelegten Rechte zu achten. Juristisch gesehen eigentlich eine triviale Feststellung – die entsprechenden Vorlageverfahren jedoch haben gezeigt, dass die politischen Ziele des Gesetzgebers nicht selten weit über dessen rechtliche Möglichkeiten hinausgehen. Wie ist nun weiter zu verfahren? Zuallererst sind die vorlegenden nationalen Gerichte gehalten, die Vorgaben des EuGH in ihrer Rechtsprechung umzusetzen. Daneben ist aber schon jetzt auch der Gesetzgeber gefordert zu überprüfen, ob und inwieweit die jeweiligen nationalen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung der aktuellsten Rechtsprechung des EuGH (nicht) entsprechen – insbesondere gilt dies auch für die neuen deutschen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung aus dem Jahre 2015 in den §§ 113a ff. TKG. Ob dies tatsächlich der Fall sein wird, mag aber bezweifelt werden – zumindest spricht eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch diese Vorratsdatenspeicherung unabhängig von der Entscheidung des EuGH letztlich wieder beim Bundesverfassungsgericht landen wird.

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