Heute veröffentlicht: Offener Brief fordert Verbot von Ramsomware-Zahlungen

Heute wurde der offene Brief zu Lösegeldzahlungen bei Ransomware-Angriffen veröffentlicht. Es ist wichtig und richtig, dass diese akute Bedrohung stärker als bislang in die öffentliche Wahrnehmung gerückt wird. Ob ein erneuter Appell an den Staat nachhaltig hilft, bezweifle ich jedoch.

Text des offenen Briefs:

Lösegeldzahlungen bei Ransomware-Angriffen: ein geostrategisches Risiko

Erpressungstrojaner in Form sogenannter Ransomware sind in den letzten Jahren zu einer ernsthaften und dauerhaften Bedrohung für die deutsche und europäische Wirtschaft herangewachsen. Eine aktuelle Bitkom-Studie beziffert den Schaden durch Daten-Diebstahl, Spionage und Sabotage für die deutsche Wirtschaft allein auf jährlich 223 Milliarden Euro – dies entspricht über 6% des gesamten deutschen Bruttoinlandsprodukts für 2021 (3,57 Billionen EUR). Neun von zehn deutschen Unternehmen sind mittlerweile betroffen, und auch Behörden und kritische Infrastrukturen sind nicht vor Angriffen gefeit. Für einen Großteil der Schäden sei laut Studie Ransomware verantwortlich. Auch Datensicherungen helfen den Opfern mittlerweile nur noch bedingt, denn seit einiger Zeit kopieren Verbrecherbanden Daten, bevor sie sie verschlüsseln, und drohen den Opfern dann mit der öffentlichen Preisgabe vertraulicher Daten, sollte die geforderte Lösegeldzahlung ausbleiben.

Aufgrund dieser Problematik ist die Bereitschaft von Unternehmen, Lösegeldzahlungen zu tätigen, zuletzt stark gestiegen. Laut einer aktuellen Studie des Sicherheitsdienstleisters Sophos zahlen rund 42% aller deutschen Unternehmen das geforderte Lösegeld, im Schnitt über EUR 250.000 – und dies trotz gegenteiliger Empfehlungen von BSI und BKA. Vor dem Hintergrund der enormen Kosten für die Wiederaufnahme des Betriebs ohne Lösegeldzahlung (laut Studie im Schnitt ca. 1,6 Millionen EUR) verwundert diese Entscheidung wenig. Die Zahlung von Lösegeld ist für das einzelne Unternehmen nicht nur finanziell günstiger, sie lässt sich über sogenannte Cyber-Versicherungen mittlerweile auch recht bequem im Jahresbudget einplanen. Rund 80% der von Sophos befragten Unternehmen sind gegen Ransomware-Angriffe versichert. Ein Großteil der Versicherer zahlt hierbei neben Wiederherstellungsmaßnahmen unter Umständen auch das geforderte Lösegeld, sofern sich hierdurch der Schaden für das Unternehmen minimieren lässt.

Lösegeldzahlungen sind jedoch bei Ransomware die Wurzel allen Übels: Ransomware ist seit Jahren ein stark organisiertes Verbrechen, dessen Umsätze in Deutschland die des gesamten europäischen Drogenhandels um rund das Achtfache übersteigen. Wenn Opfer von Ransomware das geforderte Lösegeld nicht zahlen würden, dann würde dieses Geschäftsmodell im Keim erstickt. Umgekehrt hat jedoch die Zahlungsbereitschaft der Opfer dieses kriminelle Geschäftsmodell erst ermöglicht. Reinvestitionen der aktiven Verbrecherbanden haben dazu geführt, dass diese heute hoch professionell vorgehen können und technisch und methodisch oft um Größenordnungen besser aufgestellt sind als die angegriffenen Unternehmen. Gewinne kommen hierbei in erster Linie Staaten zugute, die Deutschland eigentlich sanktioniert. Eine aktuelle BBC-Studie zeigt auf, dass 74% aller Ransomware-Lösegelder in 2021 an Verbrecherbanden in Russland gezahlt wurden. Diverse Medien haben wiederholt von starken Verbindungen des Kremls zu den betreffenden Verbrecherbanden berichtet. Lösegeldzahlungen schwächen somit das aktuelle EU-Embargo gegen Russland signifikant. Auch Nordkorea ist direkt in Ransomwareangriffe verstricktstiehlt darüber hinaus aber auch regelmäßig entsprechende Kryptowährungen zur Finanzierung seines Atomraketenprogramms.

Vor diesem Hintergrund lässt sich feststellen, dass sich die Bereitschaft zu Lösegeldzahlungen mittlerweile für Deutschland zu einem massiven geostrategischen Risiko entwickelt hat, das nicht länger ignoriert werden darf. Lösegeldzahlungen stärken Deutschlands geopolitische Konkurrenten und schwächen die deutsche Wirtschaft und den deutschen Staat, sie gefährden unsere kritische Infrastrukturen. Aber auch hier vor Ort setzen Lösegeldzahlungen falsche Anreize, denn sie ermöglichen Unternehmen und Behörden einen vermeintlich einfachen Ausweg, der zwar kurzzeitig das Leid lindert, aber mittelfristig mehr Probleme verursacht als er löst: Anstatt in die Verbesserung ihrer IT-Sicherheit und ihrer Leistungsfähigkeit zu investieren, zahlen die Opfer Lösegeld und erhöhen somit die Wahrscheinlichkeit weiterer erfolgreicher Angriffe gegen sich selbst und andere. Das Nachsehen dabei haben insbesondere kleinere Unternehmen, die sich Lösegelder und Cyber-Versicherungen nicht leisten können und bei einem Angriff potenziell vor dem Ruin stehen. Statt diese Milliarden an Euro jährlich dem organisierten Verbrechen und den Staaten, die diese Verbrecherbanden beheimaten, zukommen zu lassen, sollten deutsche Unternehmen diese Gelder vielmehr in ihre eigene IT-Sicherheit investieren, um somit einerseits die Hürden für weitere Angriffe zu erhöhen und andererseits die Finanzströme der Verbrecherbanden versiegen zu lassen.

Die Unterzeichner:innen fordern daher die Bundespolitik auf:

  • Erlassen Sie Maßnahmen und setzen Sie Anreize, welche Lösegeldzahlungen bei Ransomware-Angriffen effektiv unterbinden.
  • Schaffen Sie die steuerliche Absetzbarkeit von Ransomware-Lösegeldzahlungen (§ 33 EStG) ab.
  • Führen Sie für Unternehmen ab einer bestimmten Größe eine Meldepflicht für Ransomware-Angriffe und Lösegeldzahlungen ein.
  • Unterbinden Sie Versicherungen, die diese Lösegeldzahlungen absichern.
  • Befördern Sie stattdessen Versicherungen, die die verursachten Umsatzeinbußen und Wiederherstellungsmaßnahmen absichern. Da die Versicherer zunehmend starke Sicherheitsmaßnahmen bei den Versicherungsnehmern einfordern, besteht hier die Möglichkeit, die IT-Sicherheit in der Breite signifikant zu erhöhen, ohne weitere regulatorische Maßnahmen treffen zu müssen.
  • Unterstützen Sie Unternehmen, die durch Ransomware-Angriffe in eine finanzielle Notlage geraten, in angemessener Weise, beispielsweise über einen Hilfsfonds, sodass diese nicht gezwungen werden, Lösegelder zu zahlen. Die Unterstützung sollte jedoch an Bedingungen geknüpft sein, welche sicherstellen, dass die Opfer ihre Pflicht zur eigenständigen Absicherung nicht vernachlässigen.
  • Forcieren Sie Maßnahmen, die deutschen Unternehmen in Zukunft Methoden und Technologien bereitstellen, um an sie gestellte IT-Sicherheitsanforderungen effektiv und dennoch möglichst kostengünstig erfüllen zu können.

Link zum offenen Brief inkl. Liste der Unterzeichner: https://ransomletter.github.io/

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