Bremer Symposium zur Sicherheit am 14.11.2015 – eine Zusammenfassung

Am 14. November 2015 fand im Haus Schütting am Markt in Bremen das „Symposium zur Sicherheit“, ausgerichtet von der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V. (GSP), statt. Zentrales Thema der siebenstündigen Veranstaltung war die Sicherheitslage im 21. Jahrhundert unter Einbeziehung von Klimawandel, Migration sowie sonstigen, auch technisch bedingten Phänomenen der Globalisierung.

Nach der Begrüßung und einer kurzen Einführung in den Themenkomplex stellte der erste Redner, Jörg Ziercke, ehemaliger Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), die aktuellen Anforderungen an die Sicherheitsarchitektur Deutschlands vor. Ziercke bezog sich dabei im Wesentlichen auf die Deliktsbereiche des internationalen Terrorismus, der organisierten Kriminalität und des Cybercrime. Laut Ziercke bewirkt die zunehmende Digitalisierung unserer Gesellschaft eine Entnetzung der Kriminalität. Als Beispiel führte er unter anderem eine Untersuchung des BKA an, nach der pro Monat 60.000 infizierte Mails anfielen, darüber Fälle von Social Engineering und das Programm „Dragonfly“, welches Angriffe auf industrielle Steuerungssysteme durchführt. Nicht zuletzt böten auch Smartphones ein erhebliches kriminelles Potenzial: In Spanien sei ein Botnetz entdeckt worden, das aus 12 Millionen Telefonen bestehe. Vor allem zu Nachtzeiten würde auf die Systemressourcen der Geräte zurückgegriffen, wenn die Nutzer das Gerät angeschaltet ließen. Aufgrund der globalen Bedrohung durch den Cybercrime sehen auch die Ermittlungsbehörden einen zunehmenden Vernetzungsbedarf, der sich auf europäischer Ebene in der Gründung des „European Cybercrime Center“ widerspiegelt, welches bei der europäischen Polizeibehörde Europol angesiedelt ist. Insbesondere die terroristischen Anschläge vom 13. November 2015 in Paris hätten gezeigt, dass auch in der EU ein Handlungsbedarf bestehe. Hierbei soll laut BKA die Prävention im Vordergrund stehen. Die Interessenabwägung zwischen Freiheit und Sicherheit  stelle weiterhin das zentrale Konfliktfeld dar, innerhalb derer sich die Arbeit der Sicherheitsbehörden auch im Zeitalter des Cybercrime bewege. Zwar betont der vormalige BKA-Präsident die Notwendigkeit eines Ausgleichs zwischen der Freiheit des Einzelnen und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit. Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, dass es zu einem „Frust“ der Sicherheitsbehörden darüber komme, nicht mit der aktuellen Bedrohungslage angepassten Ermittlungsverfahren arbeiten zu können. Ziercke stellte deshalb die Forderung auf, dass es der Polizei im Falle von Straftaten in der digitalen Welt genauso möglich sein müsse zu ermitteln wie ansonsten auch. Abschließend stellte er darüber hinaus fest, dass die Wiedereinführung der Vorrats- bzw. Verkehrsdatenspeicherung in Deutschland keine erhöhte Bedrohungslage für die Interessen der Bürger auf Wahrung ihrer informationellen Selbstbestimmung darstelle: Nicht nur dass die Zugriffsmöglichkeiten der Ermittlungsbehörden auf enge gesetzliche Ausnahmefälle begrenzt seien. Auch hätten die Behörden von vornherein keinerlei Interesse daran, unbefugt auf Datenbestände Zugriff zu nehmen: Hierfür fehle es schon an Zeit und Personal, um jedwedes Datum auszuwerten. Ein solches Argument werde in der sicherheitspolitischen Debatte schon zu oft hervorgebracht und hätte „weder Hand noch Fuß“.

In den auf Herrn Ziercke folgenden Vorträgen standen vor allem nicht die innenpolitischen Implikationen moderner Sicherheitspolitik im Vordergrund, sondern das aktuelle weltpolitische Geschehen, welches ebenso eine sicherheitspolitische Herausforderung darstelle. Prof. Dr. Michael Brzoska vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg, Dennis Tänzler von adelphi, Institut für Politikanalyse und Strategieberatung sowie Dr. Martin Kohls vom Bundesamt für Flüchtlinge und Migration befassten sich in ihren Vorträgen mit den folgenden Themen: Zukünftige Konflikte um Rohstoffe und Energie als sicherheitspolitisches Risiko, Klimawandel und fragile Staatlichkeit sowie die Migration aus globaler und deutscher Perspektive. Alle drei Referenten hoben hierbei hervor, dass Fragen der inneren Sicherheit nicht ausschließlich mehr ein rein innenpolitisches Problem seien, sondern zunehmend eine außenpolitische Implikation aufwiesen. Dies werde durch die Terroranschläge von Paris mehr als deutlich. In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Thesen dargestellt und erläutert: Zunehmender Ressourcendruck, der zu einem verstärkten Verteilungswettbewerb führe; durch die Folgen des globalen Klimawandels bedingte unsichere Lebensräume; Extremwetterlagen und Umweltdesaster, die bestehende Fragilitätsherausforderungen multiplizieren; eine ebenso durch den Klimawandelt bedingte Beeinträchtigung der Nahrungsmittelsicherheit, die politische Spannungen hervorruft; die Problematik des grenzüberschreitenden Wassermangels; der Anstieg des Meeresspiegels, der zu einer Küstendegradation führt, die soziale Verwerfungen und Migration zur Folge hat. Dennis Tänzler schlug zu diesen Problemlagen verschiedene Lösungsansätze vor: 1. Die risikokomplexe Klima-Fragilität müsse zu einer zentralen Priorität der Außenpolitik werden; 2. Es besteht die Notwendigkeit der Schaffung einer G7-Taskforce speziell zum Thema der Klima-Fragilität; 3. Darüber hinaus gibt es das Bedürfnis einer verstärkten Einrichtung multilateraler Prozesse und Strukturen; 4. Förderung eines breiten Engagements (auch in der Bevölkerung), um konkrete lokale Ergebnisse zu gewährleisten; 5. Vernetzung von Technologien.

Herr Prof. Brzoska untersuchte im Nachgang die Frage nach dem Auslöser für globale Rohstoffkonflikte. Im Wesentlichen führte er die Entwicklung auf die denknotwendigerweise knapper werdenden wichtigen Ressourcen zurück. Ebenso seien Konfliktauslöser kurzfristige Lieferunterbrechungen und Gefahren nationaler wie regionaler Rohstoffabhängigkeiten. Der Begriff der Knappheit könne dabei nicht pauschal gesehen werden; vielmehr müsse eine Unterteilung in die Kategorien national/global, absolut/relativ, künstlich und partiell vorgenommen werden. Nur so könne die Knappheit auch als dynamischer Begriff erfasst werden. Als konkrete Problemfelder identifizierte Herr Prof. Brzoska daneben auch nationale Abhängigkeiten von Erdöl und Erdgas, Rohstoffe als Finanzierungsmittel für Konflikte und die Abhängigkeit der europäischen Gasversorgung von Russland.

Den inhaltlichen Abschluss des Symposiums zur Sicherheit bildete der Vortrag von Herrn Prof. Dr. Joachim Krause vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel. Die anschließende Plenardiskussion polarisierte die Veranstaltungsteilnehmer deutlich. Herr Prof. Krause stellte eingangs die These auf, dass „die Klagen über den Niedergang des Westens aufhören sollten“. Er begründete dies mit der These, dass die westlichen Nationen – entgegen dieser Auffassung und trotz aller Kritik – noch ein erhebliches Gestaltungspotenzial im Hinblick auf die globale Konfliktregulierung im Vergleich zu anderen Staaten besäßen. Andiskutiert wurde dabei auch die Lösung globaler Probleme mittels des Rückgriffs auf militärische Ressourcen. Auch müsse überlegt werden, wie konfliktbehaftete Staaten dauerhaft und nachhaltig stabilisiert werden könnten. Kritisiert wurde auch die Einstellung in weiten Teilen der Bevölkerung, staatliche Sicherheitsorgane unter den Dauerverdacht rechtswidrigen Handelns zu stellen und das sich zurzeit abzeichnende politische Auseinanderstreben Europas. Terrorismusbekämpfung stehe nun einmal in Konkurrenz zu Bürgerrechten, manchmal müsse man aber auch „von liebgewordenen Ideologien Abkehr nehmen“.

In seiner Gesamtheit hat das Bremer Symposium zur Sicherheit am 14.11.2015, nur einen Tag nach den Anschlägen von Paris, ein hochaktuelles Thema aufgegriffen und unter zahlreichen Gesichtspunkten teils neu beleuchtet. Wenngleich man über die eine oder andere geäußerte oder in der Plenardiskussion aufgegriffene These streiten mag, so ist doch zumindest eines deutlich geworden: Die „nationale“ Sicherheit ist längst kein allein innenpolitisches Problem (mehr) – zu viele einzelne Faktoren bedingen die Sicherheitslage. Staatlich vermittelte Sicherheit stellt eine Gesamtaufgabe dar, deren Bewältigung vor allem auch im europäischen Kontext erforderlich ist. Eine gemeinsame europäische Politik ist in der heutigen Zeit hierzu mehr erforderlich denn je – eine deutlichere europäische Einigung könnte zahlreiche innen- wie außenpolitische Problemfelder signifikant abschwächen. Bei Betrachtung der politischen Herausforderungen unserer Zeit muss das Thema Sicherheit jedoch auch immer im Kontext zur individuellen Freiheit gesehen werden – keine neue These. Die zurzeit gestiegene Bedrohungslage führt jedoch vor Augen, dass die Verhältnismäßigkeit staatlicher Sicherheitsmaßnahmen von größerer Bedeutung denn je ist. Keine Frage – wir brauchen ein gewisses Maß an Sicherheit. Die politische Artikulation dieses Bedürfnisses darf aber keineswegs dazu führen, die Freiheit nur als ein lästiges Anhängsel zu betrachten, das angesichts der mit einem möglichen Sicherheitsgewinn verbundenen potenziellen Vorteile nur allzu leicht aufgegeben werden darf.

1 Comment

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  1. Hallo!

    Ich komme aus Hannover. Weiß jemand, ob die GSP auch ähnliche Veranstaltungen bei mir vor Ort durchführt?

    Danke!

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